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Küchenklopapier-Tagebuch

Am Samstagabend besuche ich mit guten Freunden kurzentschlossen eine Sportveranstaltung. Die Atmosphäre ist familiär, wie jedes Jahr. Und das Programm hinkt dem Zeitplan hoffnungslos hinterher, auch wie jedes Jahr. Der Höhepunkt des Abends startet mit rekordverdächtiger Verspätung statt um 21:00 erst weit nach 23:00 Uhr, entsprechend spät endet der Tag. Oder früh, ganz nach Betrachtungswinkel.

Um nicht vom hellen Tag (also in Kürze) zu früh geweckt zu werden, setze ich die Schlafmaske auf, die noch aus früheren Nachtdienstzeiten in der Nachttischschublade herumfliegt. (Ja, lacht nur! In der Not greift man auch zu Sachen, die eher unsexy sind!)
Funktioniert ganz fantastisch: Als ich am Sonntag aufwache und Richtung Uhr blinzel, zeigt diese 16:25 Uhr an …. Schei§3!
Ach, was soll’s, passiert. Erstmal gemütlich „FRÜHstücken“. 

So schön das späte Frühstück ist, es macht sich das Gefühl von Unzufriedenheit und Grübeln breit. Wobei ich tatsächlich über nichts Konkretes nachdenke, da ist einfach dieses ungute Grübel-Gefühl. Merkwürdig, nicht zu packen. Irgendwas muss ich noch unternehmen, Spaziergang oder so. Jedenfalls ist vor dem Fernseher sitzen gerade keine zielführende Option.
So kommt es, dass ich nach 22:00 Uhr noch in das Fitnessstudio fahre – es hat praktischerweise 24 Stunden an allen Tagen geöffnet und ich bin schon ein bisschen neugierig, was dort in der Nacht noch los ist.
Gute Entscheidung! Eine Handvoll Nachtaktiver verteilt sich im Studio, alles läuft im Vergleich zum Tagesgeschäft ein Stück weit ruhiger und gemächlicher. Nach dem Training und der anschließenden Dusche genieße ich noch in aller Ruhe einen großen Milchkaffee, bevor ich wieder nach Hause fahre. Gegen halb drei Uhr liege ich schließlich im Bett.

Am Montag beginne ich den Tag gegen 10:00 Uhr, das muss reichen. Immerhin fühle ich mich besser als gestern und plane den weiteren Ablauf: Ein bisschen Haushalt, einkaufen und ein paar Anregungen, u.a. für die Negativ-Abfotografier-Vorrichtung, beim nächsten IKEA holen.
Im Briefkasten finden sich Briefe von der Krankenkasse und der Rentenversicherung, jeder mit einem Fragebogen. Ich muss zwangsläufig an die Arbeit denken und ein paar Gedankenschleifen starten sich selbst – meine Laune sinkt. Dennoch raffe ich mich auf und ziehe mein geplantes Programm durch.
Erst geht es zum Supermarkt, Brot usw. einkaufen. Kurz vor der Kasse fällt mir zum Glück gerade noch rechtzeitig auf, dass ich statt des Toilettenpapiers ein Paket Küchenrollen spazieren trage. Immerhin dreilagig. Das wahrscheinlich breiteste Klopapier der Welt.
Passt aber leider nicht in den Klorollenhalter, also schnell noch umtauschen.

Auf dem Weg zum schwedischen Möbelhaus besorge ich noch ein paar T-Shirts und eine Sporthose. Bei IKEA angekommen geht es schnurstracks in das Restaurant. Hunger!
Es ist später Nachmittag, aber das hat den Leuten in der langen Schlange vor mir wohl keiner verraten. Die wollen tatsächlich alle etwas Warmes essen!
Na gut, ich ja auch. Mieses Timing, soviel steht fest.
Ich nehme die vegetarischen Gemüsebällchen und verkrümel mich an einen Fensterplatz. Kulinarische Highlights darf man nicht erwarten, aber das Essen ist ok. Und der Kaffee dank Familycard kostenlos. Immerhin.
Die gesuchten Anregungen finde ich in den Ausstellungen irgendwie nicht wirklich, aber ich gehe mit zwei Handtüchern, zwei kleinen Kreamikschüsseln, sechs Tischsets (für den Zweitwohnsitz), einer Spülbürste und drei Servietten-Päckchen aus dem Laden. Alles zusammen für unter 10 Euro.
Auf die Teelichter falle ich nicht rein …

Zuhause werden die gesammelten Einkäufe sortiert und verkramt. Danach kümmere ich mich um eine kleine „Hausaufgabe“ von meiner Therapeutin und gehe außerdem nochmal meine Stichpunkte für das hier erwähnte Gespräch durch.

Erst nach dem Tagebuchschreiben (und u.a. der Erinnerung an die Küchenklopapier-Rollen) hellt sich meine Stimmung wieder deutlich auf.
Hätte früher nie gedacht, dass simples Aufschreiben so einen Effekt haben kann.
Faszinierend.

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2 Gedanken zu “Küchenklopapier-Tagebuch

  1. sue schreibt:

    Eigentlich ist der therapeutische Effekt eines Blogs/des Aufschreibens recht einfach zu durchschauen 😉
    Indem etwas in Worte gefaßt wird und quasi einem „dritten“ verständlich gemacht werden soll, nimmt man innerlich Abstand, eine andere Position ein. Das ist exakt das, was bei einer Therapie auch geschieht. Die veränderte Position und Ansicht, läßt dann manchmal den Groschen fallen.
    Ich blogge seit über 10 Jahren und habe gemerkt, auch wenn das Geschriebene von niemand gelesen würde, hat es diesen Effekt. Für mich war die Schreiberei von Anfang an eine Verarbeitungsstrategie und ist es bis heute geblieben.
    (Viele) Leser verändern nur ein wenig die Offenheit und lassen mehr darüber nachdenken, was man lieber nicht in Worte faßt, bzw. lieber nicht öffentlich machen möchte.
    Ich finde es auch irgendwie total spannend und sehr witzig, dass man total anonym über jemand heftigst abkotzen kann, der Betroffene (wenn er mitliest) weiß sehr genau wer gemeint ist, kann einem aber nicht ans Bein pinkeln.

    LG
    Sue

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    • Hallo Sue,
      danke für deine netten Worte!
      Inzwischen ist mir das auch klar, allerdings blogge ich noch nicht so lange. Initiatorin war auch meine Therapeutin und anfangs ist mir das Aufschreiben wirklich nicht leicht gefallen. Deshalb auch (immer noch) meine Faszination, was das ausmachen kann, selbst wenn es keiner liest.
      Ich hoffe ehrlich gesagt nicht, dass es bei mir „mitlesende Betroffene“ gibt … obwohl, die würden es vermutlich lesen, eifrig zustimmen und (wider besseren Wissens oder aus Verdrängung) behaupten dass das auf SIE natürlich nie im Leben zutreffen kann. 😉

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